Streumunition: Bomben wie Landminen
Als Streumunition werden Behälter bezeichnet, die viele kleine Submunitionen über eine breite Fläche verteilen. Sie können vom Boden abgeschossen oder aus der Luft abgeworfen werden. Beim Aufprall explodieren oft nicht alle Geschosse und bleiben als Blindgänger liegen und wirken dann wie Landminen.
Sie können nicht zwischen militärischen und zivilen Zielen unterscheiden, weshalb die meisten Opfer aus der Zivilbevölkerung stammen. Offiziell bestätigt sind weltweit bisher 24.502 Opfer durch Streumunition seit Mitte der 1960er Jahre, die Dunkelziffer wird sogar auf bis zu 56.800 geschätzt. Der Anteil ziviler Opfer macht dabei über 90 Prozent aus. Streumunition wurde seit Ende des Zweiten Weltkrieges in bisher insgesamt 39 Ländern und fünf Gebieten eingesetzt.
Handicap International setzt sich seit vielen Jahren gegen diese verheerenden Waffen ein.
Zuletzt aktualisiert: 09. September 2024
Das lesen Sie auf dieser Seite:
- Was ist Streumunition?
- Aktuelle Zahlen
- Wie funktioniert Streumunition?
- So ergeht es den Opfern
- Ist Streumunition verboten?
- In diesen Ländern wurden die Waffen eingesetzt
- So hilft Handicap International
- Schmutzige Bankgeschäfte mit Streubomben
- Hersteller von Streumunition
Streubomben werden auch Streumunition oder Cluster Bomben genannt. Wir verwenden diese Ausdrücke synonym.
Streumunition besteht aus einem Behälter und der darin enthaltenen Submunition. Sie wird aus der Luft abgeworfen oder vom Boden abgefeuert und verteilt ihre Bomblets breitflächig über Landstriche von der Größe einiger Fußballfelder bis zu mehreren Hundert Hektar.
Wird sie mittels Artillerierakete oder Haubitze eingesetzt, können erhebliche Mengen an Munition über ein großes Gebiet verteilt werden. Eine Salve des MLRS Raketenwerfers verstreut z.B. bis zu 8.000 Stück Submunition über ein Areal von ca. 250.000 m2 (entspricht 50 Fußballfeldern).
Eine Waffe gegen die Zivilbevölkerung
Durch die ungezielte Wirkung (sie können nicht zwischen militärischen und zivilen Zielen unterscheiden) werden bei fast jedem Einsatz auch Zivilpersonen getroffen. Außerdem bleiben Unmengen an Blindgängern zurück: bis zu 40 Prozent der Submunition explodiert beim Aufprall nicht, in Einzelfällen sogar bis zu 100 Prozent.
Ihre Zünder sind im Gegensatz zu den Zündern großer Bomben hochsensibel und können bei der kleinsten Berührung explodieren. So gefährden sie auch noch lange nach einem Angriff die Menschen, die in den betroffenen Gebieten leben oder arbeiten. Sie wirken wie Landminen. Über 90 Prozent der Opfer stammen aus der Zivilbevölkerung!
Streumunition wird vom Boden oder aus der Luft abgeworfen. Ein Behälter öffnet sich und wirf viele kleine Bomblets ab. Diesen sollen Schaden auf einer großen Fläche anrichten.
Streubomben töten und verletzen ihre Opfer meist nach Kriegsende. Oft tragen diese Behinderungen und Traumata davon. Außerdem verseuchen sie Gegenden ähnlich wie Landminen.
Aktuelle Zahlen
Der jährlich erscheinende Streubomben-Monitor (zuletzt Sept. 2024) berichtet, dass im Jahr 2023 219 Menschen durch Streumunition getötet oder verletzt wurden.
Die Dunkelziffer ist vermutlich viel höher, da nicht alle Unfälle registriert werden. Allein in der Ukraine wurden im Jahr 2023 mehr als 50 Angriffe mit Streumunition gemeldet.
Im Berichtsjahr 2023 stammten 93% aller Opfer aus der Zivilbevölkerung. Streumunition forderte in diesem Zeitraum somit mindestens 203 zivile Opfer.
Lesen Sie weiter
- Alle Zahlen: Einmal im Jahr erscheint der Streubomben-Monitor. Er listet detailliert auf, wer wann und wo Streubomben eingesetzt hat, wie viele Opfer diese Waffen gefordert haben und vieles mehr.
- Alle Infos: In diesem Faktenblatt listet Handicap International die wichtigsten Infos über Streumunition auf, berichtet über die Kampagnen der Zivilgesellschaft und vieles mehr.
So ergeht es den Opfern
Als Opfer werden diejenigen Personen definiert, die direkt von dem Unfall betroffen sind sowie ihre Familien und die betroffenen Gemeinden. Aus Respekt spricht man von den Menschen, die einen Unfall überlebt haben, nicht mehr von Opfern, sondern von "Survivors", also von Überlebenden.
Behinderung und Traumata
Wenn eine Submunition explodiert, verletzt oder tötet sie die Person, die die Explosion ausgelöst hat. Viele der Überlebenden tragen lebenslange Behinderungen davon. Die Verletzungen reichen von abgerissenen Gliedmaßen, schweren Schäden im Gesicht – oftmals verlieren die Betroffenen Sehkraft oder erblinden komplett – bis hin zu psychischen Belastungen, die nicht selten ebenfalls ein Leben lang halten.
Blindgänger verlängern den Krieg
Blindgänger können auch Jahre später noch explodieren. Doch selbst wenn sie nicht explodieren: allein ihre Existenz ist ein großes Problem für die Gemeinschaften, die in den betroffenen Gebieten leben. Sie können ganze Areale nicht mehr nutzen und Felder nicht mehr bestellen. Sie müssen mit der ständigen Angst um ihre Angehörigen leben, wenn Bauern trotzdem in Felder gehen, wenn Kinder auf dem Schulweg an verseuchten Gebieten vorbeigehen, wenn Submunition in Olivenbäumen hängen geblieben ist.
Ist Streumunition verboten?
Am 1. August 2010 trat die Streubombenkonvention in Kraft. Sie verbietet den Einsatz, die Produktion, die Lagerung und den Transfer der Waffen.
Mittlerweile sind der sogenannten Oslo-Konvention über 100 Staaten beigetreten, sie haben Streumunition also verboten. Diese Staaten haben sich nicht nur dazu verpflichtet, keine Streumunition mehr einzusetzen, sondern auch Lagerbestände zu zerstören, Druck auf andere Staaten auszuüben, die Räumung der Blindgänger zu unterstützen und den Überlebenden von Unfällen zu helfen.
Deutschland ist dem Verbot 2009 beigetreten. Wichtige Staaten wie die USA, Russland, China etc. fehlen.
Lesen Sie weiter:
- Die Oslo-Konvention: Über 100 Staaten haben Streumunition verboten. Das Verbot ist das Ergebnis eines langen Engagements der Zivilgesellschaft und einer Gruppe von Staaten.
- Vertragsstaaten: Hier finden Sie eine vollständige Liste aller Vertragsstaaten der Oslo-Konvention. Außerdem listen wir sämtliche Staaten auf, die noch fehlen.
In diesen Ländern wurden die Waffen eingesetzt
Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs haben mindestens 23 Staaten Streumunition in 39 Ländern und fünf weiteren Gebieten eingesetzt. In fast allen Regionen der Welt wurde sie in den letzten 70 Jahren bereits mindestens einmal eingesetzt. In weniger als der Hälfte der Länder wurden die Überreste vollständig geräumt.
Staaten und Gebiete, die im Berichtszeitraum 2022/2023 immer noch von Streumunitionsresten betroffen waren:
26 Staaten und 3 Gebiete: Afghanistan, Angola, Armenien, Aserbaidschan (seit Januar 2024 wird Bergkarabach als Teil des aserbaidschanischen Territoriums betrachtet), Bosnien und Herzegowina, Chile, Demokratische Republik Kongo, Deutschland, Georgien, Irak, Iran, Jemen, Kambodscha, Kosovo, Laos, Libanon, Libyen, Mauretanien, Serbien, Somalia, Sudan, Südsudan, Syrien, Tadschikistan, Tschad, Ukraine, Vietnam, Westsahara.
Anmerkungen:
- Davon zehn Vertragsstaaten: Afghanistan, Chile, Deutschland, Irak, Laos, Libanon, Mauretanien, Somalia, Südsudan, Tschad.
- Davon drei Unterzeichner der Konvention: Angola, Demokratische Republik Kongo, Kosovo.
- Davon zwei Gebiete: Kosovo, Westsahara.
- In zwei weiteren Staaten – Kolumbien und Großbritannien – ist die Verseuchung durch Streumunition ungewiss.
Besonders viel Submunition wurde in diesen Ländern abgeworfen:
- in Vietnam 1965-1975 auf Kambodscha, Laos und in Vietnam (383 Mio. Submunitionen)
- im Irak 1991-2006 (50 Mio. Submunitionen)
- in Kosovo, Montenegro, Serbien und Albanien 1999 (295.000 Submunitionen)
- in Afghanistan 2001-2002 (248.000 Submunitionen)
- im Libanon 2006 (4 Mio. Submunitionen)
- in Syrien seit 2012
- in der Ukraine 2014-2015 und seit 2022
Lesen Sie weiter:
Derzeit liegen in Deutschland Streubomben-Blindgänger in einem gesicherten Gebiet in Brandenburg. Vorläufer der Waffen wurden bereits im Zweiten Weltkrieg eingesetzt. Heute ist Deutschland einer der wichtigsten Geldgeber für Räumungsprogramme.
Kein Land hat mehr Streubomben abgeworfen als die USA. Seit dem Irakkrieg hat das Land die Waffe nicht mehr eingesetzt. Besonders umstritten sind die Lieferung von gelagerter Streumunition an die Ukraine. Jahrezehntelanges Leid ist garantiert.
Die israelische Armee warf in nur wenigen Tagen Millionen Submunitionen über dem Libanon ab. Unzählige sind auch heute noch als Blindgänger eine tödliche Gefahr. Sie hängen in Olivenbäumen oder liegen auf Äckern.
Russland setzt die geächteten Waffen massiv ein. Dabei starben bereits hunderte Menschen. Blindgänger verseuchen große Gebiete. Auch die Ukraine wird verdächtigt, Streumunition eingesetzt zu haben.
Kein Land wurde mehr bombardiert als Laos. Über 260 Millionen Submunitionen warfen die USA über dem ostasiatischen Land ab.
Die deutsche Wehrmacht setzte während des Zweiten Weltkrieges erstmals Vorgänger der heutigen Streumunition in Großbritannien ein.
So hilft Handicap International
Handicap International (HI) ist weltweit die einzige Organisation, die eine umfassende Expertise in vier Bereichen der humanitären Minenaktionen besitzt. So können wir den Betroffenen umfassend helfen. HI hat die Kampagne zum Verbot von Landminen mitgegründet. Diese hat für Ihren Einsatz den Friedensnobelpreis bekommen. Außerdem hat HI die Cluster Munition Coalition (die Kampagne gegen Streubomben) mitgegründet. In zahlreichen Ländern weltweit engagieren wir uns für die Überlebenden dieser menschenverachtenden Waffen und setzen uns für ihre Räumung und weltweite Ächtung ein.
- Lesen Sie weiter: Unser Einsatz für eine Welt ohne Streubomben
Schmutzige Bankgeschäfte mit Streubomben
Deutsche Banken nutzen Schlupflöcher im Verbotsvertrag. Dieser ist grundsätzlich sehr stark und verbietet die Waffen umfassend und klar. Doch er weist zwei entscheidende Lücken auf:
- Mitglieder des Vertrags dürfen militärische Operationen mit Staaten durchführen, die nachweislich Streumunition einsetzen
- Investitionen in Hersteller sind nicht ausdrücklich verboten.
Laut Abschnitt 1 (c) der Konvention dürfen Vertragsstaaten jedoch „niemanden bei einer den Vertragsstaaten verbotenen Aktivität unterstützen, dazu ermutigen oder veranlassen“. Handicap International versteht die Investitionen in Unternehmen, die Streumunition herstellen oder damit handeln aber als genau das: Unterstützung, Ermutigung oder Veranlassung einer Aktivität, die Vertragsstaaten verboten ist.
Damit stehen wir nicht alleine da. Einige Staaten stellten bereits klar, dass sie Investitionen automatisch mit Inkrafttreten der Konvention als verboten betrachten, darunter unter anderem Frankreich, Großbritannien und Norwegen. Wiederum andere europäische Staaten, wie Belgien, Luxemburg und die Schweiz, haben explizite Gesetze erlassen, die diese Investitionen verbieten.
Lesen Sie weiter:
Hersteller von Streumunition
34 Staaten haben seit den 50er Jahren Streumunition hergestellt, viele davon behalten sich dies noch vor oder produzieren sogar selbst.
Einige ehemalige Produzenten haben sich aus dem explosiven Geschäft zurückgezogen. Textron produziert keine Streubomben mehr und auch Singapore Technologies Engineering hat sich aus dem Geschäft mit Streumunition zurückgezogen.
In Deutschland produzierten die Firmen Rheinmetall, EADS und Diehl bzw. deren Tochterfirmen. Und auch heute noch werden Waffen hergestellt, die ähnlich wirken, aber nicht explizit durch die Konvention verboten sind, weil sie bestimmten Kriterien nicht entsprechen oder diverse Merkmale aufweisen, etwa Selbstzerstörungsmechanismen oder zielgerichteten Sensoren. Aus unserer Erfahrung wissen wir, dass keine Waffe hundertprozentig sicher ist und auch diese Waffen bei ihrem Einsatz wieder Blindgänger hinterlassen werden und die Zivilbevölkerung unter ihnen leiden wird.
- Mehr Details finden Sie im Faktenblatt von Handicap International
Informieren Sie sich weiter:
- Tödliche Fracht:
So funktioniert Streumunition - Alle Zahlen:
Der Streubomben-Monitor - Angriff auf die Zivilbevölkerung:
Explosivwaffen in bevölkerten Gebieten
- Verbot von Streumunition
Das Oslo-Abkommen - Auf vielen Ebenen:
Unser Einsatz für eine Welt ohne Streubomben
Portraits aus unseren Ausstellungen
In Zusammenarbeit mit dem Journalisten und Fotografen Till Mayer haben wir zwei Ausstellungen konzipiert, die deutschlandweit verliehen werden. "Barriere:Zonen" und "erschüttert" erzählen bewegende Geschichten von Menschen aus Krisengebieten, von denen viele eine Behinderung haben. Lesen Sie hier Ihre Geschichten.
Phongsavath verliert an seinem Geburtstag durch Streumunition seine Hände und sein Augenlicht. Tanzend und singend machte er später Kampagnenarbeit gegen die Waffen.
Branislav Kapetanović entschärft eine Streubombe nach der anderen. Bis eine explodiert und ihn schwer verletzt. Heute redet er der Politik auf internationalen Konferenzen ins Gewissen.
Neuigkeiten:
Nein zu Streubomben!
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