In einem hohen Raum hängen hunderte kleine Submunitionen an Fäden von der Decke.
Verbot

Die Sicherheitskommission des Schweizer Nationalrats möchte das Verbot von Streumunition nicht ratifizieren und stimmt für einen Nichteintretensentscheid. Streumunition sei eine zu effektive Verteidigungswaffe, so Ulrich Schlüer von der SVP.

Die Sicherheitspolitische Kommission des Nationalrats (SiK-NR) hat sich gegen die Ratifizierung des Oslo-Abkommens ausgesprochen, obwohl der Ständerat das Abkommen einstimmig angenommen hatte. Diese Entscheidung ist erschütternd, wenn man die historischen Fortschritte bedenkt, die die internationale Staatengemeinschaft beim Schutz der Zivilbevölkerung vor diesen barbarischen Waffen, die wir aus dem 20. Jahrhundert geerbt haben, errungen haben. Dieses Abkommen, das von 111 Ländern unterzeichnet und von 66 ratifiziert wurde, verbietet sämtliche Formen von Streubomben, die bis heute in Konflikten eingesetzt werden. Es zielt darauf ab, den Planeten von einer besonders grauenhaften Waffengattung zu befreien, die während des kalten Kriegs für symmetrische Konflikte erdacht wurde. Die tatsächlichen Konflikte waren nie symmetrisch. Diese Waffen werden heute gegen die Zivilbevölkerung eingesetzt. Sämtliche Nachbarländer der Schweiz haben das Oslo-Abkommen ratifiziert, einige haben ihre Streubombenbestände bereits zerstört.

Nachdem der Ständerat die Änderung des Kriegsmaterialgesetzes (KMG) und das Finanzierungsverbot für die Produktion von Streubomben einstimmig angenommen hatte, war die  SiK-NR in der Lage, den Text weiterzuentwickeln und die Bestimmungen zu verfeinern, vor allem in Bezug auf das Finanzierungsverbot. Stattdessen hat die bürgerliche Mehrheit aus SVP und FDP mit ihrer Ablehnung der Ratifizierung erreicht, dass die Abstimmung der Sicherheitspolitischen Kommission insgesamt negativ ausgefallen ist.

Begründet wurde die Entscheidung unter anderem damit, dass Streumunition gebraucht werde (Ulrich Schlüer, SVP) und sich EU-Staaten, die das Abkommen unterzeichnet haben, im Ernstfall hinter den USA verstecken würden – und die würden das Verbot niemals unterzeichnen (Roland Borer, SVP). Hinter dem Ganzen steckt wohl auch parteitaktisches Kalkül. Die Baseler Zeitung zitiert Roland Borer: „Sie [die scheidende SP-Außenministerin Micheline Calmy-Rey] wollte die Ratifizierung des Übereinkommens durchzwängen. Eine Ohrfeige zum Abgang ist gut.“*

Die Schweizer Armee stützt sich, wie der Referent der Sicherheitspolitischen Kommission des Ständerats angedeutet hat, bis heute auf Streubomben, um ihren Hauptauftrag auszufüllen: Raumsicherung und Verteidigung. Doch diese Strategie ist nicht mehr zeitgemäß. Dies geht aus den Verhandlungen hervor, die Militärexperten für das Oslo-Abkommen geführt haben, und es spiegelt sich in der Entscheidung der 111 Unterzeichnerstaaten und der 66 Teilnehmerstaaten des Abkommens wider. Darunter finden sich auch die einflussreichsten Staaten Europas. Erwähnt werden muss in diesem Zusammenhang ausserdem, dass unter den Ländern, die das Abkommen nicht unterzeichnet haben, die USA angekündigt haben, bis 2018 all ihre aktuellen Streubombenbestände zu vernichten. Diese Entwicklungen zeigen, dass die internationale Gemeinschaft sich der ungeheuerlichen humanitären Auswirkungen dieser Waffen bewusst ist. Das Oslo-Abkommen ist ein historischer Fortschritt zur Stärkung der Instrumente des Humanitären Völkerrechts. Es ist besorgniserregend, dass die Schweiz als Depositarstaat der Genfer Konvention und als Land, das im Herzen Europas vor jeglicher Invasion durch feindliche Bodenstreitkräfte geschützt ist, die Landesverteidigung als Grund nennt, auf ihrem Gebiet Waffen mit kolossalen Fehlerquoten einsetzen zu müssen. So hat im August 2006 hat eine 72-stündige Bombardierung den südlichen Libanon mit Hunderttausenden nicht explodierten Streubomben übersät, die bis zum heutigen Tag Zivilisten töten und verstümmeln, in vielen Fällen Kinder. 

* Basler Zeitung, 18.10.2011

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