Ukraine: auf Jahrzehnte mit Streumunition verseucht
Der weltweit umfangreichste Einsatz von Streumunition ist aktuell in der Ukraine zu beobachten. Sowohl Russland aus auch die Ukraine setzten Streumunition in dem andauernden Konflikt ein. Verschiedene Quellen berichten den Einsatz von Streumunition in dicht besiedelten städtischen Gebieten in der Ukraine durch Russland. Die Ukraine bestreitet nicht Streumunition eingesetzt zu haben und versicherte die Einhaltung des humanitären Völkerrechtes während der Nutzung. Keines der Länder ist Mitglied des Oslo-Vertrags.
Zwischen Februar 2022, dem Beginn der Invasion in der Ukraine, und Ende 2024 sind dort über 1.200 Menschen durch Streubomben und Blindgänger um Leben gekommen oder verletzt worden.
Die Ukraine hat zwischen Juli 2023 und Oktober 2024 mindestens sieben Lieferungen von Streumunition aus den USA bezogen. Die Anzahl und die Art der gelieferten Streumunition wurden dabei nicht offengelegt.
Inmitten dieser Krise ist Handicap International an der Seite der betroffenen Menschen. Wir klären über die Gefahren von Streubomben und Blindgängern auf und helfen, Leben zu retten.
Letztes Update: 15. September 2025
Das lesen Sie auf dieser Seite:
- Woher stammen die Daten auf dieser Seite?
- Wie viele Unfälle gab es bisher?
- Wo liegen Blindgänger in der Ukraine?
- Wer setzt Streumunition ein?
- Hat die Ukraine Streumunition verboten?
- Ist Streumunition in Russland verboten?
- Werden die Blindgänger geräumt?
- Lieferung von Streumunition durch die USA
- Ist Deutschland ein Transitland?
- Wie hilft Handicap International den Menschen in der Ukraine?
Ein Bild von zwei Frauen vor einem zerstörten Gebäude in einem Wohnviertel von Kiew. © V. de Viguerie / HI
Woher stammen die Daten auf dieser Seite
Die meisten Daten auf dieser Seite stammen aus dem Streubomben-Monitor. Der Monitor ist ein jährlich erscheinender Bericht, der über die Umsetzung der Oslo-Konvention, also des internationalen Streubombenverbots, informiert. Handicap International ist im Kuratorium des Monitors.
Der aktuelle Streubomben-Monitor vom September 2025 liefert detaillierte Daten und Analysen zur Einhaltung und Umsetzung des Vertrags weltweit, wobei der Fokus auf den Fortschritten und Herausforderungen des vergangenden Jahres 2024 liegt. Sofern verfügbar enthält er aber auch Informationen bis zum 1. August 2025.
Außerdem beziehen wir uns auf diverse Berichte von Human Rights Watch. Die internationale Menschenrechtsorganisation führt mit Expert*innen vor Ort immer wieder detaillierte Untersuchungen durch. Die Daten von HRW fließen auch in die Berichterstattung des Monitors ein.
Handicap International führt selbst keine Erhebungen zu Streumunition- und Opferzahlen in der Ukraine durch.
Wie viele Unfälle mit Streumunition gab es bisher?
Streubomben werden im Krieg in der Ukraine wiederholt eingesetzt. Das verdeutlichen einmal mehr die Ergebnisse des letzten Streubomben-Monitors vom September 2025. Seit Februar 2022 sind in der Ukraine insgesamt 1.231 Menschen druch Streubomben und Blindgänger ums Leben gekommen oder verletzt worden, davon mindestens 1.173 durch Angriffe mit Streumunition.
Allein im Jahr 2024 gab es mindestens 193 Todes- und Verletztenfälle durch Angriffe mit Streumunition, im Jahr 2023 waren es 90. Die Dunkelziffer ist wahrscheinlich noch viel höher, denn bei über 40 Angriffen mit Streumunition wurde die Zahl der getöteten und Verletzten nicht registriert. Durch Blindgänger wurden 2024 in der Ukraine insgesamt 15 Menschen verletzt oder getötet.
Damit verzeichnete die Ukraine im dritten Jahr in Folge die höchste Zahl von Getöteten und Verletzten weltweit.
Russische Streitkräfte sollen in Hunderten von Angriffen Streumunition verwendet haben, wie Human Rights Watch berichtet. Die Organisation begründet das unter anderem mit dem Fund von hunderttausenden Submunitionen. Die Ukraine soll bisher in mindestens drei Fällen Streumunition eingesetzt haben.

Wo liegen Streubomben in der Ukraine?
Kein Land in Europa ist derzeit so stark mit Blindgängern verseucht wie die Ukraine.
Seit der Eskalation des Konflikts im Februar 2022 sind viele Gebiete in der Ukraine mit Streumunition durch deren umfangreichen Einsatz kontaminiert. Das Ausmaß der kontaminierten Gebiete bleibt schwer zu bestimmen. Stand Juli 2025 umfasste die ukrainische Datenbank 4.377 Verdachtsfälle und bestätigte Gefahrengebiete, die zusammen eine Fläche von 540,63km² kontaminierter Gebiete ausmachen. Dabei wurde nicht angegeben, um welche Art von explosiver Munition es sich handelt, und die 20km breite Zone entlang der Frontlinie, die für Minenräumungsorganisationen weiterhin unzugänglich ist, wurde nicht berücksichtigt.
In mindestens acht von 24 Oblasten (größere Verwaltungsbezirke) sollen nach Angaben des Monitors Streubomben eingesetzt worden sein: In Chernihiv, Dnipropetrovsk, Donetsk, Charkiw, Kherson, Mykolaiv, Odesa und Sumy.
Wer setzt die Streumunition ein?
Russland
Russland setzt Streumunition in der Ukraine seit der Eskalation des Konflikts im Februar 2022 in großem Umfang ein. Mindestens 13 Arten von Streumunition wurden seither dort eingesetzt.
Nach Angaben des ukrainischen Außenministeriums wurden bis zum 26. Juni 2025 insgesamt 5.074 Einsätze von Streumunitionen durch Russland dokumentiert.
Human Rights Watch hat zahlreiche russische Streumunitionsangriffe dokumentiert, die bereits über 1.000 zivile Opfer gefordert haben. Die Angriffe mit Streumunition begannen in Vuhledar, gefolgt von weiteren Angriffen in Charkiw, Mykolajiw, Tschernihiw, Cherson und anderen Städten. Der russische Streumunitionsangriff auf den überfüllten Bahnhof von Kramatorsk am 8. April 2022 ist nach wie vor eines der tödlichsten Einzelereignisse für die Zivilbevölkerung während des Krieges.
Am 29. April 2024 verstreute eine mit einem Streumunitionssprengkopf ausgerüstete ballistische Rakete ihre Submunition in und um ein Gelände der Rechtsakademie von Odessa am Ufer des Flusses Odessa. Nach Angaben der ukrainischen Behörden befand sich unter den getöteten Zivilistinnen und Zivilisten ein vierjähriges Mädchen, das drei Wochen nach dem Angriff an seinen Verletzungen starb. Die Detonationen lösten einen Brand aus, der das Dach der Residenz des Präsidenten der Rechtsakademie zerstörte, der bei dem Angriff verletzt wurde. Und die Angriffe hören nicht auf.
Ukraine
Die Ukraine bestreitet nicht Streumunition eingesetzt zu haben und versicherte, dass das ukrainische Militär die Normen des Internationalen Humanitären Völkerrechts einhält.
Laut Human Rights Watch hat auch das ukrainische Militär in mindestens drei Fällen Streumunition eingesetzt, unter anderem in der Region Izium im Jahr 2022, was zu zahlreichen Toten und Schwerverletzten unter der Zivilbevölkerung führte. Im Vergleich zu Russland setzt die Ukraine die Waffen allerdings in weitaus geringerem Umfang ein.
Von Russland unterstützte Separatisten im Donbass 2014-2022
Von Russland unterstützte Separatisten setzten im Konflikt im Donbass seit Mitte 2014 Streumunition in der Ostukraine ein, die zahlreiche Opfer forderte, die Infrastruktur beschädigte und ein tödliches Erbe an nicht explodierter Submunition hinterließ. Human Rights Watch hatte vor der Eskalation des Konflikts im Februar 2022 bereits ein Dutzend Orte in zwei der östlichen Provinzen der Ukraine (Donezk und Luhansk) identifiziert, in denen bisher zwei Arten von bodengestützter Streumunition und zwei Arten von explosiver Submunition eingesetzt wurden.
Laut Human Rights Watch hat vermutlich auch die ukrainische Armee damals schon Streumunition eingesetzt. Die ukrainische Regierung bestritt diese Einsätze jedoch. Heute gibt es Vorwürfe ebenfalls von HRW über den Einsatz von Antipersonen-Minen durch die Ukraine. Das wäre ein schwerer Verstoß gegen das Minenverbot, das die Ukraine ratifiziert hat.
Hat die Ukraine Streumunition verboten?
Nein, die Ukraine ist kein Mitgliedsstaat der Oslo-Konvention, die das Verbot von Streumunition international regelt.
Hat Russland Streumunition verboten?
Nein. Auch Russland ist kein Mitglied der Oslo-Konvention.
Beide Länder müssen aber das internationale Völkerrecht achten und die Zivilbevölkerung schützen. Es dürfen deshalb keine Waffen eingesetzt werden, die sich vornehmlich gegen diese richten.
Werden die Blindgänger aus Streumunition in der Ukraine geräumt?
Trotz der schwierigen Umstände gibt es zahlreiche Bemühungen zur Räumung von Minen, Blindgängern aus Streumunitionen sowie anderen nicht explodierten Kriegsresten. Organisationen wie der Staatliche Katastrophenschutz der Ukraine (SESU) und internationale NGOs sind aktiv daran beteiligt. Es wird jedoch geschätzt, dass die vollständige Räumung mehrere Jahrzehnte dauern könnte
Lieferung von Streumunition durch die USA
Zwischen Juli 2023 und Oktober 2024 haben die USA mindestens sieben Lieferungen von Streumunition an die Ukraine vorgenommen.
Zuvor hatte die Zivilgesellschaft vehement davor gewarnt. Streumunition ist international durch die Oslo-Konvention geächtet - und das nicht ohne Grund. Submunition aus Streubomben tötet wahllos - das heißt, sie kann nicht zwischen Zivilbevölkerung und Feinden unterscheiden. Hinzu kommt eine hohe Blindgängerrate, die auch noch Jahrzehnte nach ihrem Einsatz Menschenleben fordert. Der Preis für diese Entscheidung wird hoch sein - sowohl humanitär als auch politisch.
Die USA haben weder die genauen Mengen an Streumunition, die sie an die Ukraine liefern, noch Informationen über die spezifischen Typen und ihre jeweiligen Blindgängerraten offengelegt.
Statement von HI zu den US-Lieferungen vom 7. Juli 2023
Staats- und Regierungschefs aus 21 Ländern äußerten sich besorgt über die Entscheidung der USA, Streumunition an die Ukraine zu liefern. Die Entscheidung der USA, Streumunition an die Ukraine zu liefern, fand weltweites Medienecho und wurde von UN-Beamten und der Koalition gegen Streumunition (Cluster Munition Coalition - CMC) kritisiert. Die Weitergabe von Streumunition durch die USA hat zu einer Debatte im Kongress, einer genauen Prüfung und zu Gesetzesvorschlägen geführt.
“Handicap International verurteilt die Entscheidung der Biden-Regierung, Streumunition an die Ukraine zu liefern. Streumunition gehört zu den gefährlichsten Waffen für die Zivilbevölkerung. Sie ist von Natur aus willkürlich und stellt eine große Gefahr für die Zivilbevölkerung dar, da sie noch lange nach dem Ende des Konflikts Opfer fordern kann. Seit 40 Jahren arbeitet Handicap International an der Seite der Streubomben-Opfer. Für uns ist das Problem in erster Linie ein humanitäres: Zusätzlich zu den Opfern unter der Zivilbevölkerung wird der Zugang zu humanitärer Hilfe zur Unterstützung dieser Menschen erschwert."
Anne Héry, Direktorin der internationalen Abteilung für politische Arbeit von Handicap International
Ist Deutschland ein Transitland?
Der ARD-Sendung „Panorama“ zufolge wird Streumunition in einem US-Depot in Deutschland gelagert und wurde über deutsche Autobahnen in die Ukraine geliefert. Dies sei von der US-Armee bestätigt worden, so „Panorama“. Nach Auffassung von Handicap International (HI) verstößt es gegen den von Deutschland unterzeichneten Streumunitions-Verbotsvertrag, falls diese Munition tatsächlich durch deutsches Gebiet transportiert wurde. Die Bundesregierung selbst argumentierte mit Nichtwissen.
- Warum dies ein Versagen Deutschlands darstellt, den Geist der Konvention aufrechtzuerhalten, lesen Sie in der Presseerklärung.
Wie hilft Handicap International den Menschen in der Ukraine?
Handicap International setzt sich weltweit gegen Landminen, Streubomben und Explosivwaffen ein und fördert den Schutz der Zivilbevölkerung in Kriegsgebieten. Ein Teil der Arbeit ist dabei die Räumung von Blindgängern und anderen explosiven Kriegsresten sowie die Aufklärung über die Gefahren dieser. Zusätzlich widmen wir uns der Katastrophen- und Flüchtlingshilfe, der Rehabilitation und der Inklusion von Menschen mit Behinderung.
In der Ukraine ist Handicap International aktiv, um die Bevölkerung über die Gefahren von Streubomben, Minen und Blindgängern aufzuklären. Aufklärungsteams von HI sind besonders in Schulen tätig, wo sie Kindern sichere Verhaltensweisen beibringen, beispielsweise durch Broschüren, Poster und Faltblätter, die das Aussehen von Blindgängern verdeutlichen. Durch diese Maßnahmen trägt HI dazu bei, die Sicherheit der Menschen in den betroffenen Gebieten zu erhöhen und das Bewusstsein für die Gefahren von Streubomben und Blindgängern zu schärfen.
Neben der lebenswichtigen Aufklärung über die Gefahren, verteilen unsere Teams in der Ukraine Gehhilfen, Rollstühle und Medikamente. Wir versorgen die Menschen mit Reha nach Verletzungen und Notoperationen.
Die vielen verletzten und traumatisierten Menschen erhaltenaußerdem psychologische Hilfe, um auch die seelische Gesundheit zu stärken. Und wir setzen alles daran, dass gerade Menschen mit Behinderung, Kinder und ältere Menschen nicht übersehen werden.
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