Angriffe mit Streubomben in der Ukraine
Im Konflikt zwischen der Ukraine und Russland wurden mehrfache Angriffe mit Streumunition auf dicht besiedelte Gebiete in der Ukraine, darunter Cherson, Dnipro, Kiew, Lemberg, Ternopil, Charkiw, Mykolajiw, Kramatorsk und Ochtyrka nachgewiesen. Hunderte Menschen starben und Tausende wurden verletzt, ganze Straßenstriche wurden zerstört und unzählige Menschen vertrieben. Die Angriffe wurden von unterschiedlichen Menschenrechtsorganisationen haben dokumentiert. Einige gut dokumentierte Angriffe haben wir in diesem Artikel aufgelistet.
Weder Russland noch die Ukraine sind Teil des internationalen Verbots von Streumunition. Dennoch ist der Einsatz von Streumunition auch für sie dann völkerrechtswidrig, wenn er direkt auf die Zivilbevölkerung abzielt. Handicap International fordert ein sofortiges Ende des Einsatzes von Streubomben in Ukraine. Die Ukraine und Russland müssen dem Verbot sofort beitreten. Auch in dem seit 2014 andauernden Konflikt im Donbass wurden laut Menschenrechtsorganisationen immer wieder Streumunition in der Ukraine eingesetzt – mit verheerenden Folgen für die Bevölkerung.
Letztes Update: Februar 2023
Das Lesen Sie auf dieser Seite:

Streumunition in der Ukraine: Gut dokumentierte Einsätze
Kherson – 19.11.-22.11.2022
Die Stadt Kherson wurde, nach Angaben der Human Rights Watch, an drei aufeinanderfolgenden Tagen im November mehrfach mit Streubomben angegriffen. 17 Menschen erlitten durch die Explosionen meist starke Verletzungen, darunter mindestens drei Kinder. Unter den Zielen der Attacken waren insbesondere öffentliche Orte, wie ein Verteilungspunkt für Lebensmittel und Wasser, an welchem eine lange Schlange an Menschen auf Versorgung wartete.
Dnipro, Kiew, Lemberg, Ternopil – 10.10.2022
Dicht besiedelte Gebiete in der Ukraine - unter anderem in Dnipro, Kiew, Lemberg und Ternopil - wurden am Montag, den 10.10.2022, mit großflächig wirkenden Explosivwaffen angegriffen. Dabei sind mindestens 11 Zivilist*innen getötet und 89 weitere verletzt worden. Mehrere Objekte der zivilen Infrastruktur wurden zerstört, unter anderem eine Fußgängerbrücke, ein Spielplatz, und mehrere Häuser. Die Zerstörung der Infrastruktur führte auch zu Stromausfällen und Unterbrechungen der Wasser-, Strom- und Kommunikationsversorgung.
Mehrere Hilfsorganisationen wurden durch die Angriffe gezwungen, ihre Arbeit aus Sicherheitsgründen für ihre Mitarbeiter*innen auszusetzen, was fatale Auswirkungen auf die hilfsbedürftige Bevölkerung hat.
Charkiw – 16.08.2022
Die Stadt Charkiw im Nordosten der Ukraine, nur 25 Kilometer von der russischen Grenze entfernt, war in den letzten Monaten das Ziel mehrerer Angriffe mit Streumunition. Zuletzt berichtete Human Rights Watch am 16. August über acht Angriffe durch Explosivwaffen mit Flächenwirkung und verbotener Streumunition auf bewohnte Gebiete, die in den vergangenen Wochen in Charkiw und der Nachbarstadt Derhachi dokumentiert wurden. Dabei sind mindestens zwölf Personen getötet und 26 verletzt worden. Fünf Krankenhäuser wurden bei den Angriffen beschädigt.
Mykolaiv – 29.07.2022
Auch Action on Armed Violence (AOAV), eine in Großbritannien ansässige gemeinnützige Forschungsorganisation, hat seit Kriegsbeginn am 24. Februar den massiven Einsatz von Explosivwaffen in der Ukraine dokumentiert und dabei zuletzt am 29. Juli einen tödlichen Einsatz von Streumunition verzeichnet. Bei dem Angriff auf eine Bushaltestelle in Mykolaiv wurden sieben Menschen getötet und 29 verletzt.
Kramatorsk – 08.04.2022
Eine ausführliche Recherche von Human Rights Watch und SITU Research von Februar 2023 belegt einen der bisher schwerwiegendsten Einsätze von Streubomben in der Ukraine. Im April 2022 war der am Bahnhof von Kramatorsk, ein bekannter und wichtiger Evakuationsort für Zivilist*innen in der Ostukraine, bombardiert worden. Durch den Angriff wurden 58 Menschen getötet und mehr als 100 weitere verletzt. Mithilfe privater Videoaufnahmen und durch die Untersuchung von Einschlaglöchern konnte der Tatverlauf rekonstruiert werden. Zudem war es den Ermittler*innen möglich, eine Verbindung zu russischen Streitkräften und Lagern von Streubomben herzustellen. Russland selbst gibt der Ukraine die Schuld an der Tat.
Lesen Sie hier mehr über den Angriff mit Streumunition auf den Bahnhof Kramatorsk
Ochtyrka – 25.02.2022
Am 25. Februar forderte ein Artillerieeinschlag in der Stadt Ochtyrka, etwa 100 Kilometer westlich von Charkiw, mehrere Opfer. Darunter sollen auch Kinder gewesen sein. Zudem soll mindestens ein Mal in der Umgebung eines Kindergartens Streumunition eingeschlagen sein. Das bestätigte auch Amnesty International: Eine 220-mm-Uragan-Rakete soll auf die Kinderkrippe und den Kindergarten von Sonechko in der Stadt Ochtyrka im Gebiet Sumy abgeworfen worden sein, wo die Bevölkerung gerade Schutz vor den Kämpfen suchte. Der Einschlag stellt möglicherweise ein Kriegsverbrechen dar.
Die Dunkelziffer ist extrem hoch
Der Einsatz von Streubomben in der Ukraine ist keine Seltenheit. Das verdeutlichten einmal mehr die Ergebnisse des letzten Streubomben Monitors von 24. August 2022 der Cluster Munition Coalition (CMC), einer globalen Koalition von Nichtregierungsorganisationen. Allein zwischen Februar und Juli 2022 sollen mindestens 689 Zivilist*innen getötet (215) oder verletzt (474) worden sein.
Die Dunkelziffer ist aber wahrscheinlich noch höher. Russische Streitkräfte sollen in hunderten von Angriffen Streumunition verwendet haben, ukrainische Streitkräfte in mindestens drei Fällen. Auch Human Rights Watch (HRW) bekräftigt die Angaben in seinem Bericht „Intense and Lasting Harm: Cluster Munition in Ukraine“ vom 11. Mai. HRW hatte hunderte Verdachtsfälle von Streubombeneinsatz durch russische Truppen verzeichnet und begründet die Annahme unter anderem durch den Fund von hunderttausenden Submunitionen.
In mindestens acht von 24 Oblasts (größere Verwaltungsbezirke) sollen nach Angaben des Berichtes Streubomben eingesetzt worden sein: In Chernihiv, Dnipropetrovsk, Donetsk, Charkiw, Kherson, Mykolaiv, Odesa und Sumy.
Diese Streubomben wurden eingesetzt
Bislang scheint Russland die Streubomben unter anderem aus den Mehrfachraketenwerfersystemen BM 27 und BM 30 abgefeuert zu haben. Dies lässt sich an den unterschiedlichen Munitionsarten erkennen, die von den einzelnen Systemen verwendet werden, sowie an der Richtung, aus der sie sich vor dem Einschlag bewegt zu haben scheinen.
Sechs verschiedene Arten von Streumunition konnten bislang sicher identifiziert werden. Mit Ausnahme des Munitionstyps der RBK-Serie wurden die Waffen überwiegend von bodengestützten Mehrfachraketenwerfersystemen abgefeuert. Anhand von Bildern und Videos in den sozialen Medien konnten Beobachter*innen die Einschlagstellen von Streumunition vor allem immer wieder in zivilen Gebieten in der Ukraine lokalisieren. Dabei wurden nicht nur Zivilist*innen getötet und verletzt, sondern auch die zivile Infrastruktur beschädigt: Häuser, Krankenhäuser, Schulen, Industrieanlagen, Spielplätze usw.
Besonders problematisch sind dabei die nicht-explodierten Überreste der eingesetzten Waffen, darunter Uragan- und Smerch-Streumunitionsraketen sowie nicht explodierte 9N210-Splittermunition. Diese hinterlassen Blindgänger, die wie Landminen wirken und somit auch nach Ende des Beschusses eine jahrzehntelange Gefahr für Zivilist*innen darstellen.
Politische Verhandlungen zu Streubomben im Ukraine Konflikt
Über einen Bericht von CNN wurde bekannt, dass ukrainische Beamte die Biden Regierung Ende 2022 dazu aufgefordert haben sollen, Streubomben an das Militär in der Ukraine zu liefern.
Lesen Sie hier mehr über USA und Streubomben
Die USA hat den Vertrag über ein Verbot von Streumunition (Oslo Konvention) nicht unterzeichnet, der den Einsatz, die Herstellung und die Weitergabe von Streubomben verbietet. Somit wäre eine Lieferung rechtlich möglich gewesen - jedoch haben die USA Exporte dieser Waffen ausgesetzt und auch auf diese Anfrage zunächst ablehnend reagiert.
Auch auf der Münchner Sicherheitskonferenz im Februar 2023 zeigte die Ukraine Interesse am Kauf und Einsatz von Streubomben und weiteren völkerrechtlich geächteten Waffen. Der ukrainische Vizeregierungschef Kubrakow begründete seine Forderung damit, dass Russland bereits Raketen mit Streumunition gegen Ukrainer*innen einsetze.
Lesen Sier hier mehr über Deutschland und Streumunition
Estland, das nicht Mitglied der Oslo-Konvention ist, hat sich offen für eine Lieferung gezeigt. Dafür benötigen sie jedoch die Genehmigung Deutschlands als Hersteller der Streumunition, die Estland lagert. Es sollte klar sein, dass ein solches Vorgehen für jeden Vertragsstaat des Streubombenverbots, also auch für Deutschland, inakzeptabel ist. Und auch wenn die Ukraine dem Streubombenverbot nicht beigetreten ist, sollten ukrainische Streitkräfte diese geächteten Waffen nicht verwenden, noch dazu auf eigenem Staatsgebiet - denn Streumunition trifft bei jedem Einsatz auch Zivilist*innen und kontaminiert Gebiete für Jahrzehnte.

„Wenn ich eine Mine sehe, gehe ich ganz vorsichtig zurück - Myroslava, 10 Jahre alt.
Sprengfallen, Minen und explosive Kriegsreste bedrohen das Leben vieler Menschen in der Ukraine, besonders von spielenden Kindern. Wir klären sie über die Gefahren auf.
Streumunition im früheren Konflikt zwischen Ukraine und Russland 2014/2015
Die Ukraine hat den Einsatz von Streumunition während des Konflikts mit den von Russland unterstützten Separatisten im Osten des Landes im Jahr 2015 vehement bestritten, obwohl dies, einem Bericht von Human Rights Watch zufolge, wahrscheinlich der Fall war.
Sowohl die ukrainische Regierung als auch die von Russland unterstützten Separatisten haben demnach seit Mitte 2014 Streumunition in der Ostukraine eingesetzt, die zahlreiche Opfer forderte, die Infrastruktur beschädigte und ein tödliches Erbe an nicht explodierter Submunition hinterließ.
Bis die explosiven Kriegsreste geräumt und zerstört werden können, werden sie die Zivilbevölkerung noch jahrzehntelang gefährden. Human Rights Watch hatte vor dem Beginn des russischen Angriffskriegs ein dutzend Orte in zwei der östlichen Provinzen der Ukraine (Donezk und Luhansk) identifiziert, in denen bisher zwei Arten von bodengestützter Streumunition und zwei Arten von explosiver Submunition eingesetzt wurden.
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