Die Submunition ist ein runder metallischer Ball, schmutzig und rostig.

Angriffe mit Streumunition in der Ukraine

Im Konflikt zwischen der Ukraine und Russland wurden mehrfache Angriffe durch Russland mit Streumunition auf dicht besiedelte Gebiete in der Ukraine nachgewiesen. Die Angriffe wurden mehrheitlich von Russland durchgeführt und wurden von unterschiedlichen Menschenrechtsorganisationen dokumentiert. 

Die USA liefern Streumunition in die Ukraine - trotz massiver Warnungen aus der Zivilgesellschaft und von internationalen Organisationen wie Handicap International. Laut Medienberichten hat die Ukraine bereits mit dem Einsatz begonnen. Weder Russland, die Ukraine oder die USA sind Teil des internationalen Verbots von Streumunition. Dennoch ist der Einsatz von Streumunition auch für sie dann völkerrechtswidrig, wenn er direkt auf die Zivilbevölkerung abzielt

Jeder einzelne Einsatz von Streumunition hat direkte und indirekte Folgen, und die langjährige Kontamination aufgrund des Einsatzes von Streubomben sowie durch die nicht explodierte Streumunition wird das Leben ganzer ukrainischer Gemeinden über Jahrzehnte beeinträchtigen. Handicap International fordert ein sofortiges Ende des Einsatzes von Streubomben in der Ukraine.

Letztes Update: 08. August 2023

Das lesen Sie auf dieser Seite:

Lieferung von Streumunition an die Ukraine

Statement von HI am 7. Juli 2023:

Die Regierung Biden hat heute angekündigt, dass sie Streumunition an die Ukraine liefern wird. Handicap International und Partnerorganisationen in der Cluster Munition Coalition sind tief besorgt über diese Entscheidung.

Seit 2014 haben die russischen Streitkräfte in der Ukraine intensiv Streumunition eingesetzt, wodurch Hunderte von Zivilisten getötet und verletzt wurden und lebenswichtige zivile Infrastruktur in unermesslichem Umfang beschädigt wurde. Mindestens dreimal wurde auch über den Einsatz dieser Waffen durch ukrainische Streitkräfte berichtet.

Jeder einzelne Einsatz hat direkte und indirekte Folgen, und die Kontamination aufgrund des Einsatzes von Streubomben sowie durch die nicht explodierte Streumunition wird das Leben ganzer ukrainischer Gemeinden über Jahrzehnte beeinträchtigen. Fast alle Opfer dieser Hinterlassenschaft kommen aus der Zivilbevölkerung. Aus diesem Grund sind inzwischen 123 Staaten dem Osloer Übereinkommen beigetreten, das den Einsatz, die Herstellung, die Weitergabe und die Lagerung von Streumunition verbietet.

Handicap International verurteilt die Entscheidung der Regierung Biden, Streumunition an die Ukraine zu liefern. Streumunition gehört zu den gefährlichsten Waffen für die Zivilbevölkerung. Sie ist von Natur aus willkürlich und stellt eine große Gefahr für die Zivilbevölkerung dar, da sie noch lange nach dem Ende des Konflikts Opfer fordern kann.

Seit 40 Jahren arbeitet Handicap International an der Seite der Streubomben-Opfer. Für uns ist das Problem in erster Linie ein humanitäres: Zusätzlich zu den Opfern unter der Zivilbevölkerung wird zudem der Zugang zu humanitärer Hilfe zur Unterstützung dieser Menschen erschwert.

    Lesen Sie weiter:

    „Wenn ich eine Mine sehe, gehe ich ganz vorsichtig zurück - Myroslava, 10 Jahre alt.

    Streumunition, Minen und explosive Kriegsreste bedrohen das Leben vieler Menschen in der Ukraine, besonders von spielenden Kindern. Handicap International klärt sie über die Gefahren auf. 

    Lesen Sie hier mehr über den lebensrettenden Einsatz von Handicap International

    Streumunition in der Ukraine: Einige dokumentierte Einsätze

    !!! Handicap International dokumentiert selbst keine Angriffe mit Streumunition in der Ukraine. Die Informationen über konkrete Einsätze stammen von Partnerorganisationen, mit denen Handicap International in diversen Bündnissen politisch zusammenarbeitet. Dazu gehören etwa Action in Armed Violence, Human Rights Watch und Amnesty International !!!

    Lyman - 08.07.2023

    Laut Human Rights Watch starben bei einem Angriff in Lyman neun Zivilistinnen und Zivilisten. Viele weitere wurden verletzt. Der Angriff ereignete sich an einer Straßenkreuzung, an der sich etwa 20 Bewohner des dicht bebauten Viertels versammelt hatten, um - wie an den meisten Vormittagen - Milchprodukte und frische Erzeugnisse aus ihren Gärten zu verkaufen. Die Untersuchungen von Human Rights Watch dazu laufen noch.

    Malokaterynivka – 10.05.2023

    Bei einem russischen Streumunitionsangriff auf das Dorf Malokaterynivka in der Ostukraine wurden laut Human Rights Watch (HRW) am 10. Mai acht Menschen verletzt, darunter drei Rettungssanitäter.

    Konstyantynivka und Kramatorsk – 18.03.2023

    In der Nähe des Marktes der Stadt Konstyantynivka in der Oblast Donezk fand am 18. März 2023 ein Raketenangriff mit Streumunition statt. Laut HRW wurden mindestens sechs Zivilpersonen nach Angaben des Gouverneurs der Region verletzt.

    Am selben Tag setzten die russischen Streitkräfte Streumunition bei einem Angriff auf die Stadt Kramatorsk ein, bei dem mindestens zwei Zivilist*innen getötet und acht verletzt wurden.

    Kherson – 19.11.-22.11.2022

    Die Stadt Kherson wurde, nach Angaben von Human Rights Watch, an drei aufeinanderfolgenden Tagen im November mehrfach mit Streubomben angegriffen. 17 Menschen erlitten durch die Explosionen meist starke Verletzungen, darunter mindestens drei Kinder. Unter den Zielen der Attacken waren insbesondere öffentliche Orte, wie ein Verteilungspunkt für Lebensmittel und Wasser, an welchem eine lange Schlange an Menschen auf Versorgung wartete.

    Dnipro, Kiew, Lemberg, Ternopil – 10.10.2022

    Dicht besiedelte Gebiete in der Ukraine - unter anderem in Dnipro, Kiew, Lemberg und Ternopil - wurden am Montag, den 10.10.2022, mit großflächig wirkenden Explosivwaffen angegriffen. Dabei wurden mindestens 11 Zivilist*innen getötet und 89 weitere verletzt. Mehrere Objekte der zivilen Infrastruktur wurden zerstört, unter anderem eine Fußgängerbrücke, ein Spielplatz, und mehrere Häuser. Die Zerstörung der Infrastruktur führte auch zu Stromausfällen und Unterbrechungen der Wasser-, Strom- und Kommunikationsversorgung.

    Mehrere Hilfsorganisationen wurden durch die Angriffe gezwungen, ihre Arbeit aus Sicherheitsgründen für ihre Mitarbeiter*innen auszusetzen, was fatale Auswirkungen auf die hilfsbedürftige Bevölkerung hat.

    Charkiw – 16.08.2022

    Die Stadt Charkiw im Nordosten der Ukraine, nur 25 Kilometer von der russischen Grenze entfernt, war in den letzten Monaten das Ziel mehrerer russicher Angriffe mit Streumunition. Zuletzt berichtete Human Rights Watch am 16. August über acht Angriffe durch Explosivwaffen mit Flächenwirkung und verbotener Streumunition auf bewohnte Gebiete, die in den vergangenen Wochen in Charkiw und der Nachbarstadt Derhachi dokumentiert wurden. Dabei wurden mindestens zwölf Personen getötet und 26 verletzt. Fünf Krankenhäuser wurden bei den Angriffen beschädigt.

    Mykolaiv – 29.07.2022

    Auch Action on Armed Violence (AOAV), eine in Großbritannien ansässige gemeinnützige Forschungsorganisation, hat seit Kriegsbeginn am 24. Februar den massiven Einsatz von Explosivwaffen in der Ukraine dokumentiert und dabei zuletzt am 29. Juli einen tödlichen Einsatz von Streumunition verzeichnet. Bei dem Angriff auf eine Bushaltestelle in Mykolaiv wurden sieben Menschen getötet und 29 verletzt.

    Kramatorsk – 08.04.2022

    Eine ausführliche Recherche von Human Rights Watch und SITU Research von Februar 2023 belegt einen der bisher schwerwiegendsten Einsätze von Streubomben in der Ukraine. Im April 2022 war der am Bahnhof von Kramatorsk, ein bekannter und wichtiger Evakuationsort für Zivilist*innen in der Ostukraine, bombardiert worden. Durch den Angriff wurden 58 Menschen getötet und mehr als 100 weitere verletzt. Mithilfe privater Videoaufnahmen und durch die Untersuchung von Einschlaglöchern konnte der Tatverlauf rekonstruiert werden. Zudem war es den Ermittler*innen möglich, eine Verbindung zu russischen Streitkräften und Lagern von Streubomben herzustellen. Russland selbst gibt der Ukraine die Schuld an der Tat.

    Lesen Sie hier mehr über den Angriff mit Streumunition auf den Bahnhof Kramatorsk

    Ochtyrka – 25.02.2022

    Am 25. Februar forderte ein Artillerieeinschlag in der Stadt Ochtyrka, etwa 100 Kilometer westlich von Charkiw, mehrere Opfer. Darunter sollen auch Kinder gewesen sein. Zudem soll mindestens ein Mal in der Umgebung eines Kindergartens Streumunition eingeschlagen sein. Das bestätigte auch Amnesty International: Eine 220-mm-Uragan-Rakete soll auf die Kinderkrippe und den Kindergarten von Sonechko in der Stadt Ochtyrka im Gebiet Sumy abgeworfen worden sein, wo die Bevölkerung gerade Schutz vor den Kämpfen suchte.

    Izium im Jahr 2022

    HRW berichtet am 6. Juni 2023, dass die ukrainischen Streitkräfte im Jahr 2022 in den von den russischen Streitkräften kontrollierten Gebieten in und um die Stadt Izium in der Ostukraine Streumunition eingesetzt haben, die viele Zivilisten getötet und andere schwere zivile Schäden verursacht haben.

    Die Dunkelziffer ist extrem hoch

    Der Einsatz von Streubomben in der Ukraine ist keine Seltenheit. Das verdeutlichten einmal mehr die Ergebnisse des letzten Streubomben Monitors von 24. August 2022 der Cluster Munition Coalition (CMC), einer globalen Koalition von Nichtregierungsorganisationen. Allein zwischen Februar und Juli 2022 sollen mindestens 689 Zivilist*innen getötet (215) oder verletzt (474) worden sein.

    Die Dunkelziffer ist aber wahrscheinlich noch höher. Russische Streitkräfte sollen in hunderten von Angriffen Streumunition verwendet haben, ukrainische Streitkräfte in mindestens drei Fällen. Auch Human Rights Watch (HRW) bekräftigt die Angaben in seinem Bericht „Intense and Lasting Harm: Cluster Munition in Ukraine“ vom 11. Mai. HRW hatte hunderte Verdachtsfälle von Streubombeneinsatz durch russische Truppen verzeichnet und begründet die Annahme unter anderem durch den Fund von hunderttausenden Submunitionen.

    In mindestens acht von 24 Oblasts (größere Verwaltungsbezirke) sollen nach Angaben des Berichtes Streubomben eingesetzt worden sein: In Chernihiv, Dnipropetrovsk, Donetsk, Charkiw, Kherson, Mykolaiv, Odesa und Sumy.

    Politische Verhandlungen zu Streumunition im Ukraine Konflikt

    Juli 2023: Die USA liefern Streumunition an die Ukraine. Diese Entscheidung wurde über mehrere Monate angebahnt. Immer wieder hatte die Zivilgesellschaft protestiert.

    Ende 2022: Über einen Bericht von CNN wird bekannt, dass ukrainische Beamte die Biden Regierung Ende 2022 dazu aufgefordert haben sollen, Streubomben an das Militär in der Ukraine zu liefern. 

    Die USA haben den Vertrag über ein Verbot von Streumunition (Oslo Konvention) nicht unterzeichnet, der den Einsatz, die Herstellung und die Weitergabe von Streubomben verbietet. Somit wäre eine Lieferung rechtlich möglich gewesen - jedoch haben die USA Exporte dieser Waffen ausgesetzt und auch auf diese Anfrage zunächst ablehnend reagiert.

    Februar 2023: Auch auf der Münchner Sicherheitskonferenz im Februar 2023 zeigte die Ukraine Interesse am Kauf und Einsatz von Streubomben und weiteren völkerrechtlich geächteten Waffen. Der ukrainische Vizeregierungschef Kubrakow begründete seine Forderung damit, dass Russland bereits Raketen mit Streumunition gegen Ukrainer*innen einsetze.

    Estland, das nicht Mitglied der Oslo-Konvention ist, hat sich offen für eine Lieferung gezeigt. Dafür benötigen sie jedoch die Genehmigung Deutschlands als Hersteller der Streumunition, die Estland lagert. Es sollte klar sein, dass ein solches Vorgehen für jeden Vertragsstaat des Streubombenverbots, also auch für Deutschland, inakzeptabel ist. Und auch wenn die Ukraine dem Streubombenverbot nicht beigetreten ist, sollten ukrainische Streitkräfte diese geächteten Waffen nicht verwenden, noch dazu auf eigenem Staatsgebiet - denn Streumunition trifft bei jedem Einsatz auch Zivilist*innen und kontaminiert Gebiete für Jahrzehnte.

    Streumunition im früheren Konflikt zwischen Ukraine und Russland 2014/2015

    Von Russland unterstützte Separatisten setzten im Konflikt im Donbass seit Mitte 2014 Streumunition in der Ostukraine ein, die zahlreiche Opfer forderte, die Infrastruktur beschädigte und ein tödliches Erbe an nicht explodierter Submunition hinterließ. Human Rights Watch hatte vor dem Beginn des russischen Angriffskriegs 2022 bereits ein Dutzend Orte in zwei der östlichen Provinzen der Ukraine (Donezk und Luhansk) identifiziert, in denen bisher zwei Arten von bodengestützter Streumunition und zwei Arten von explosiver Submunition eingesetzt wurden.

    Laut Human Rights Watch hat vermutlich auch die ukrainische Armee Streumunition eingesetzt. Die ukrainische Regierung bestritt diese Einsätze jedoch.

     

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